Juli 2025 | 10 Minuten
Die Einkaufsabteilung einer KMU ist nicht nur eine einfache Abteilung, in der es um Zahlen oder Bestellungen geht. Sie ist ein lebendiges Ökosystem, bestehend aus Analysen, Beziehungen, Verhandlungen und ständiger Anpassung. Sie verlangt von den Mitarbeitenden ein hohes Mass an Zusammenarbeit, Durchsetzungsvermögen im Konfliktmanagement, Genauigkeit und den sicheren Umgang mit ERP-Tools.
In diesem sich ständig wandelnden Umfeld kommt die Künstliche Intelligenz behutsam zum Einsatz, um die kaufmännischen Angestellten bei der Ausführung ihrer täglichen Aufgaben zu entlasten und zu unterstützen sowie Arbeitsprozesse zu vereinfachen. Ein Angebot mit einem Klick übersetzen, ein Absichtsschreiben problemlos korrigieren, eine Einkaufssimulation in wenigen Sekunden neu berechnen – all das ist mit KI jetzt einfacher und schneller.
Darüber hinaus kann KI auch den Mitarbeitenden in der Einkaufsabteilung beim Verfassen von Schreiben dienen: Bei Abwesenheitsmeldungen, bei Angebotsanfragen, bei adäquaten Antworten auf aggressive E-Mails, ja sogar bei Anträgen zu Gehaltserhöhungen.
Sie wird zu einer alltäglichen, fast unsichtbaren, aber äusserst nützlichen Hilfe.
KI kann als administrative und redaktionelle Unterstützung dienen. Sie hilft beim Verfassen und Zusammenfassen von E-Mails und Berichten, bei der Vorbereitung bestimmter Anfragen und bei der automatischen Übersetzung von Dokumenten.
Sie erledigt für Mitarbeitende Vorarbeiten zur Datenanalyse, indem sie diese zum Beispiel nach Kategorie, Lieferant oder Zeitraum segmentiert. Sie kann auch Unregelmässigkeiten in Reportings erkennen und automatisierte Dashboards erstellen.
KI trägt zur Optimierung der Beschaffung bei. Sie hilft bei der Marktanalyse, der Vorhersage von Lagerengpässen, schlägt Techniken und Verfahren zur Wiederbeschaffung vor, wählt Lieferanten nach vordefinierten Kriterien aus oder unterstützt bei der Einkaufsplanung.
Um fundierte, strategische Entscheidungen zu treffen, ist KI ebenfalls ein ausgezeichneter Partner. Sie kann verschiedene Budget- oder Logistikszenarien simulieren, sowohl Lieferantenrisiken als auch geopolitische Risiken managen und die Rentabilität der Aktivitäten analysieren.
Mit anderen Worten: KI ist ein bereichsübergreifender, kostengünstiger und optimaler Assistent, der strategische Steuerung und operative Ausführung vereint. Es braucht keine grossen Investitionen: Die meisten KI-Tools sind in sogenannten Freemium-Versionen verfügbar und lassen sich in alltägliche Anwendungen integrieren. Und wenn Sie sich fragen, welche das sind – fragen Sie ChatGPT!
Trotz der erheblichen Fortschritte der KI gibt es immer noch viele Tätigkeiten, bei denen Künstliche Intelligenz nicht oder nur sehr schwer eingesetzt werden kann. Diese Grenzen sind technischer, ethischer, kontextueller oder menschlicher Natur.
Strategische Verhandlungen, wie zum Beispiel ein langfristiger Vertrag oder eine Partnerschaftsverlängerung, erfordern Intuition, nonverbale Kommunikation, Empathie und Diplomatie – alles Dimensionen, die KI „noch immer“ nicht beherrscht.
Auch versteht KI keine moralischen Dilemmas oder internen politischen Fragestellungen. Die Wahl eines ethischen Lieferanten oder die Entscheidung, einen umstrittenen Lieferanten auszuschliessen, liegt nicht in ihrem Ermessen.
KI kann nicht „out of the box“ denken oder intuitiv innovativ sein. Eine neue, untypische Partnerschaft zu schaffen oder eine ungewöhnliche Lieferkette neu zu erfinden, gehört derzeit nicht zu ihren „Fähigkeiten“.
Zudem müssen manche Informationen unbedingt vertraulich bleiben: ausgehandelte Preise, Bankdaten, sensible Vertragsdokumente – all das schränkt den Einsatz ein. Sensible Inhalte dürfen nicht externen oder unkontrollierten KIs anvertraut werden.
Mit KI passen sich einige Positionen an, andere entstehen neu. Das zeigt sich in der Einkaufsabteilung wie folgt:
«Chatbot-Manager-/in» bezeichnet die Person, die für Chatbots und die Automatisierung von Anfragen oder FAQs verantwortlich ist.
«Data Scientist für Beschaffung» ist die Bezeichnung für die Person, die für die Implementierung der Automatisierung im Einkauf zuständig ist.
Der/die Einkaufsverantwortliche wird manchmal zum/zur digitalen Einkäufer/-in, insbesondere wenn das Unternehmen KI-Plattformen für das Sourcing oder automatisierte Dashboards einführt.
Der/die «Procurement Tech Lead» oder «E-Procurement Manager/-in» verbindet digitale und logistische Kompetenzen. Er/sie überwacht und optimiert die Beschaffung, indem er/sie digitale Tools und KI-Lösungen integriert, um die Beschaffungsprozesse zu beschleunigen.
Die kaufmännische Praxisfirma (PF) ermöglicht es Praktikanten und Praktikantinnen, realistische berufliche Situationen zu erleben, gefragte Kompetenzen zu entwickeln und die heutige Berufswelt (wieder) zu entdecken. Und was wäre besser geeignet als der Einsatz von KI-Tools, sowohl pädagogisch als auch praxisorientiert, um die tatsächlichen Entwicklungen in den Berufen des tertiären Sektors widerzuspiegeln?
Für eine/n Ausbilder/-in oder Coach ist es sowohl klug als auch unerlässlich, die Einkaufsverantwortlichen (oder die Praktikanten/-innen der Einkaufsabteilung) zur Nutzung von KI-Tools zu ermutigen.